Samstag, Mai 31, 2008

Gestrandet im Spessart

Abstract:
Blitzeinschlag in der Oberleitung, kaputter Triebwagen, umgestürzter Baum auf der Strecke, der beim Umstürzen gewissenhaft die Oberleitung zerstört hat, neuer Rekord beim Stehen auf einem Provinzbahnhof

Der Live-Feed zu den Ereignissen gestern Abend/Nacht findet sich auf meinem Twitter, z. B. senkjufortrewwellingwisdeutschebahn.

Dazu mein ausführlicher Beitrag auf Qype.com, einem Bewertungsportal:
Mir ist es prinzipiell auch lieber, wenn ich keinen Stress mit Gepäckabfertigung etc. habe und dazu noch ein gutes Gewissen hinsichtlich des Klimawandels habe. Dazu noch die ganzen anderen Vorteile gegenüber Auto und Flugzeug. Nur was ich gestern erlebt hab, war mal wieder klasse. Ich saß zum Glück direkt hinter dem Lokführer, als wir im Spessart am helllichten Tage so langsam in die dunkelste Wolke rein gefahren sind, die ich jemals gesehen habe. Blitze, viel Regen, Nacht. Kein Empfang mehr, keine SMS und kein twittern mehr möglich. Plötzlich wurde es auch im Cockpit dunkel und eine automatische Stimme ertönte mit den immer gleichen, monotonen Worten:”Störung, Störung, Störung …”. Was war passiert? Die Flüche vom Lokführer ließen nichts Gutes erahnen. Ein Blitz war in die Oberleitung eingeschlagen, es gab kein Strom mehr. Bis an den “Bahnhof” Laufach sind wir dann ausgerollt. Ein ICE in Gegenrichtung hat auch am gleichen Bahnhof einen Nothalt gemacht, gleiches Problem. Nur, dass wir mit 2 Triebköpfen à 12000 PS ausgestattet waren und der andere nur mit einem. Deshalb hätten wir theoretisch auch noch weiterfahren können. Normalerweise sind die ICEs ja auch mit einem Überspannungsschutz ausgestattet, aber dieses war wohhl ein totaler Volltreffer mit mehreren Millionen Volt. 30000 V hätten wir ja locker ausgehalten, wurde uns versichert. “Scotty” vorne hat dann das ICE-System rebootet, als nach ner Stunde wieder Strom da war und die Energie von hinten nach vorne umgeleitet (erkennbar an nur der Hälfte der Energiebalken auf dem Touchscreen im Cockpit) , um die 900t Zug ordentlich anschieben zu können. Die 16 nun fehlenden, kaputten Aggregate machen sich sowieso nur im Geschwindigkeitsbereich von 200-300 km/h bemerkbar, meinte der Lokführer später.
Also so schnell hätte ich es gar nicht gebraucht, um noch nach Frankfurt zu kommen.
Trotz aller technischen Finesse ging es dann doch nicht weiter, weil die 15 km Begutachtung der Strecke (mit Halt alle 10m) bzw. des technischen Zustands der Oberleitung, nachdem die Feuerwehr noch einen umgestürzten Baum von der Strecke räumen musste, ergab, dass diese ziemlich zerstört war. Reparatur würde ca. 6h dauern. Da standen wir dann schon 3h. Für mich neuer Rekord nach dem “Verdacht auf Gleisbruch” in Leipheim. Ich hab mich dann abholen lassen, weil der Plan vorsah, zurückzufahren und eine andere Route nach Frankfurt zu nehmen, was dann bis lange nach Mitternacht gedauert hätte. Die Deutsche Bahn würde wohl für alles aufkommen, um nach Hause zu kommen, Taxi usw., irgendwie ist das für einen in so einer Notfallsituation trotzdem ziemlich unbefriedigend. Man würde erwarten können, dass die Bahn als Mobilitätsunternehmen in so einer Situation in der Lage ist, ein paar Busse zu chartern, oder gleich mehrere Taxis zu ordern, die einen zum nächsten Bahnhof oder zurück in die Zivilisation bringen.
Das Personal im Zug hat sich total klasse verhalten, gleich informiert, trotzdem nicht den Humor verloren, Witze gemacht, aus dem Nähkästchen geplaudert.

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